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The Fortress of Crossed Destinies

18. Juli–27. August 2022

Tarotkarten
Foto: Mira Turba

Das öffentliche Programm der Internationalen Sommerakademie 2022, das Vorträge und Lecture Performances anbietet, lehnt sich mit seinem Titel The Fortress of Crossed Destinies an ein Buch von Italo Calvino an. In The Castle of Crossed Destinies geht der Autor verschiedenen Möglichkeiten nach, wie sich durch vielfältige Interpretationen jenseits der Grenzen einer anthropozentrischen Tyrannei Bedeutung herstellen lässt.

 

Von Calvino in seinem makellos magisch-realistischen Stil erzählt, bildet die Geschichte von Reisenden, die mitten in der Natur in einem Schloss zusammentreffen eine schlüssige Parabel für das Begegnungen ermöglichende Programm einer internationalen Kunstakademie, die in einer historischen europäischen Stadt inmitten von Bergen und Tälern zu Hause ist. Das öffentliche Programm der Sommerakademie 2022, das die Intentionen des Buches teilt, zielt nicht nur darauf ab, die Proklamation der Aufklärung, dass „der Mensch“ die Welt ausschließlich mit Hilfe der Vernunft beherrschen kann, zu überdenken, sondern ebenso darauf, den besonderen Standpunkt, die Perspektive, das Geschlecht und die Orientierung dieses männlich gedachten Menschen neu zu betrachten, der dazu aufgerufen ist, der Welt einen Sinn zu geben und sie letztendlich beherrschen will – oder auch nicht. Das „Schloss“ des Originaltitels wurde in eine „Festung“ geändert, nicht nur, weil die Akademie in der historischen Festung Hohensalzburg untergebracht ist, sondern auch, weil wir ein paradoxes Spiel mit Worten und Nuancen anstoßen möchten. Die althergebrachte Bedeutung einer Festung soll mit unserem öffentlichen Programm symbolisch gekapert werden. Es ist der Versuch, auf die ein oder andere Weise ihren Zweck umzuwandeln: von der Bewachung monokultureller Hegemonien in die Behütung der entscheidend wichtigen Möglichkeit von gegenseitiger Befruchtung und Koexistenz. Anhand einer Reihe von Aufführungen, Filmvorführungen und Diskussionen, die verschiedene, manchmal sogar gegensätzliche Standpunkte, Meinungen und Strategien vertreten, hoffen wir, verschiedene unerwartete Verwandtschaften sowie unorthodoxe „Orte“ zu beleuchten, an denen sich Menschen treffen können, um andere Möglichkeiten des Daseins zu imaginieren.

 

1973 geschrieben, beginnt Calvinos Buch mit einem mitten im dichten Wald gelegenen Schloss, in dem sich Reisende – Frauen und Männer – zufällig begegnet sind. Sie alle haben ihre Stimme verloren und so können sie sich nicht anders darüber austauschen, über welche Torturen sie ins Schloss gelangt sind, als durch das Legen von Tarotkarten. Abwechselnd legen sie die Karten aneinander, um Ausschnitte aus ihrem Leben zu erzählen. Diverse, teilweise schon bekannte Geschichten – wie die des Faust, Parsifal, Ödipus oder Hamlet – kreuzen sich mit unendlichen Variationen anderer, neuer Geschichten, ganz so als enthielten diese „geheimnisvollen Karten“ schon die meisten aller möglichen Deutungen der Welt. Die Tarotkarten sind das Instrument, über welches die diversen Schichten des menschlichen Bewusstseins zur Anwendung kommen. Doch je nach Kontext und Ausrichtung der einzelnen Karten können sie ihre Bedeutung ändern. Die Gäste des Schlosses haben alle mit diesem Gefühl der gegenseitigen „Unübersetzbarkeit“ zu kämpfen, die nicht nur sie selbst betrifft, sondern auch ihr Verhältnis zu den Karten. Teilweise haben die Geschichten wenig mit der Interpretation durch den Erzähler zu tun, der sich seiner Sache auch alles andere als sicher ist, wie an vielen Stellen im Buch deutlich wird. Das Buch selbst ist wie ein Kartenspiel gestaltet, wobei die Karten direkt neben dem Text abgebildet sind, und so ergeben sich diverse Freiheiten für das Verständnis dieses Kosmos und seiner Verstrickungen. Es steht im Übrigen den Lesenden offen, die Interpretationen des Erzählers abzulehnen und sich, gestützt auf die Semiotik der Karten, eigene Deutungen der Geschichten zurechtzulegen.

 

Wer sind wir im Verhältnis zu unserer Umgebung? Wie können wir die Vergangenheit in die Gegenwart holen und wie kann eine „parallele“ Zukunft in unserem Leben plausibel werden? Können wir neue/alte Vokabulare aufbauen, die zwar Risiken bergen, aber auch das Versprechen von neuen Formen der Solidarität und Verbundenheit, jenseits der normativen Narrative von Mitte und Rand, menschlich und nicht-menschlich, sie, er und es, ich und wir und vieler anderer binärer Relationen? Dies sind einige der Fragestellungen, die in forschenden und experimentellen Disziplinen und damit auch in der Praxis und Kultur der bildenden Künste immer wiederkehren. Unmittelbar lässt sich dazu nur wenig sagen oder beantworten. Wie am Anfang von Calvinos Erzählung, wenn man erfährt, dass die Figuren sprachlos sind, stellen wir fest, dass uns andauernde Gefahren die Sprache verschlagen: die fortwährenden Prozesse des Kolonialismus, eine Reihe weltweiter Wirtschaftskrisen, die Vorboten einer Umweltkatastrophe, die Pandemie, die anhaltende Gewalt auf allen Ebenen des privaten und öffentlichen Lebens, die todbringenden Kriege, die einer auf den anderen folgen. Das empfindliche Kontinuum der Symbiose auf unserem Planeten – unser sehnsüchtiger Aufruf zum „wir“ – hat begonnen, sich unumkehrbar aufzusplittern und zu fragmentieren. Doch sprachlos dazustehen ist nicht unsere Aufgabe. Jetzt ist es an der Zeit, zu lernen, zu verlernen, neu zu lernen und zusammenzukommen – entweder in fiktiven Schlössern, wie im Buch, oder in realen experimentellen Akademien, wie in Salzburg –, über neue Möglichkeiten der Veränderung nachzudenken … unsere sich kreuzenden Schicksale.

 

Das öffentliche Programm The Fortress of Crossed Destinies (2022), kuratiert von Marina Fokidis, unabhängige Kuratorin und Herausgeberin der Zeitschrift South as a State of Mind, ist Teil des laufenden Forschungsprojekts Horizons of Possibility (Arbeitstitel), das von Sophie Goltz, seit 2021 Direktorin der Sommerakademie, initiiert und kuratiert wird.

Teilnehmende:
Zdenka Badovinac, Ángela Bonadies, Vasyl Cherepanyn, Sebastian Cichocki, Ekaterina Degot, Léuli Eshrāghi, Marina Fokidis, Sophie Goltz, Jennifer Higgie, Flaka Haliti, Ania Nowak/Kem School, Metahaven, Małgorzata Mirga-Tas, Markus Miessen, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Angelo Plessas, Slavs and Tatars, Tracey Rose, Tanzim Wahab and Munem Wasif.

 

Das Public Programme The Fortress of Crossed Destinies (2022), kuratiert von Marina Fokidis, unabhängige Kuratorin und Herausgeberin der Zeitschrift South as a State of Mind, ist Teil des laufenden Forschungsprojekts Horizons of Possibility (Arbeitstitel), das von Sophie Goltz, seit 2021 Direktorin der Sommerakademie, initiiert und kuratiert wird.

 

Alle Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt. Eintritt frei
Einen Live Stream finden Sie auf unserem YouTube Kanal

 

Veranstaltungen:
Crossing #1 (The High Priestess)
Donnerstag, 21. Juli 2022, 19 Uhr, -Traklhaus
Art and activism as an Inseparable Tool  for Storytelling
Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas im Gespräch mit Sophie Goltz (Leiterin der Internationalen Sommerakademie, Salzburg)

 

Crossing #2 (The Sun)
Freitag, 22. Juli 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Seeds Shall Set Us Free
Der Künstler Munem Wasif im Gespräch mit Tanzim Wahab (Direktor des Chobi Mela International Festival of Photography, Dhaka)

 

Crossing #3 (The Chariot)
Dienstag, 26. Juli 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Europe, the Fortress of Crossed Wars
Öffentlicher Vortrag von Vasyl Cherepanyn (Direktor des Visual Culture Research Center, Kiew)

 

Crossing #4 (Strength)
Dienstag, 2. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Crossing Continents with Archival Fever at 360 Degrees
Ein Gespräch zwischen den Künstler*innen Krista Belle Stewart und Léuli Eshrāghi

 

Crossing #5 (The Moon)
Mittwoch, 3. August 2022, 21 Uhr - Salzburger Kunstverein
Sunset KinoMotherlands
Kurz - Filmprogramm kuratiert von der Künstlerin Ángela Bonadies

 

Crossing #6 (The Lovers)
Donnerstag, 4. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Lecture intervention der Künstlerin Tracey Rose

 

Crossing #7 (The Fool)
Dienstag, 9. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Everywhere Present, Nowhere Visible (and vice versa)
Performance und Meditation des Künstlers Angelo Plessas

 

Crossing #8 (Temperance)
Donnerstag, 11. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Public Institutions of Arts Responding to Emergencies
Podiumsdiskussion mit Zdenka Badovinac, via (Direktorin des Museums für zeitgenössische Kunst, Zagreb), Sebastian Cichocki (Chefkurator und Forschungsleiter am Museum für moderne Kunst, Warschau), Ekaterina Degot (künstlerische Leiterin und Chefkuratorin von steirischer herbs, Gratz). Moderiert von Marina Fokidis (Kuratorin und Schriftstellerin)

 

Crossing #9 (The Wheel of Fortune)
Montag, 15. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
The Making of the Discourse Bar
Ein Gespräch zwischen der Künstlerin Flaka Haliti, dem Künstlerkollektiv Metaheaven und dem Architekten Markus Miessen

 

Crossing #10 (The Empress)
Mittwoch, 17. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
The Mirror and the Palette: 500 Years of Women's Self-Portraits
Buchpräsentation der Schriftstellerin Jennifer Higgie

 

Crossing #11 (Justice)
Montag, 22. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
A Means to Render Our Lives Believable: Of Solitude and Solidarity, or the Whitewashing of Solidarity
Öffentlicher Vortrag von Dr. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung (Gründer und künstlerischer Leiter von SAVVY Contemporary, Berlin)

 

Crossing #12 (The Hierophant)
Dienstag, 23. August 2022, 19 Uhr - Traklhaus
Red-Black Thread  öffentlicher Vortrag des Künstlerkollektivs Slavs and Tatars

 

Crossing #13 Queers Night Out mit Kem School
Freitag, 26. August 2022 - Galerie 5020
Performance mit Ania Nowak (Choreografin, Polen/Deutschland), Konzert mit Bella Ćwir (Sängerin, Polen), Musiksets von DJ Czuły, DJ Jśa, DJ suhlisi und DJ Krzysztof

 

Samstag, 27. August 2022, 12-16 Uhr - Galerie 5020
Performance-Workshop von Ania Nowak / Kem School (Choreografin, Polen/Deutschland)