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Nicolaus Schafhausen

Gegenwart und Disharmonie
17.–22. August 2020

Tag der offenen Ateliers 2019, Kurs Nicolaus Schafhausen
Tag der offenen Ateliers 2019, Kurs Nicolaus Schafhausen, im Bild: Olamiju Fajemisin, Foto: Mira Turba


Medium
Kuratorische Praxis und Theorie

Ort
Festung Hohensalzburg und Online

Unterrichtssprache
Englisch (der Lehrende spricht auch Deutsch)

Mitzubringen ist
Interesse an kritischer Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und kuratorischer Praxis.

Voraussetzungen
Keine

Maximale Anzahl von Teilnehmenden
8 vor Ort, 7 Online

Co-Lehrender
Nils Emmerichs

Teilnahmegebühr
€ 460.– (€ 380.–); online € 350.– (€ 300.–)

Im Kulturbetrieb ist der Auftrag, politisch zu handeln, seit Langem ein fest verankertes Narrativ. Interessant ist, dass sich die breite Schnittmenge unserer Gesellschaft davon unbeeindruckt zeigt. Dies ist nicht nur zu einem sozialpolitischen, sondern auch zu einem ästhetischen Problem geworden. Taugt Kunst überhaupt für politische Debatten? Muss Kunst wissenschaftlich korrekt sein? Was vermeintlich politische Kunst behauptet, ist häufig keine politische Realität, sondern Fiktion. Das wissen wir. Muss Kunst heute moralisch sein? Muss in der Kunst alles möglich sein? Stimmt diese Kategorie heute noch?

Haben KünstlerInnen Einfluss auf das politische Weltgeschehen und wenn ja, welchen? Wenn sich KünstlerInnen in eine politische Debatte begeben, verlieren sie dann nicht ihre vermeintliche Autonomie? Unter welchen moralischen Kategorien müssen wir als KuratorInnen die Produktion von Kunst beurteilen, wenn sich KünstlerInnen zum weltpolitischen Geschehen äußern? Darf Kunst mit der Wirklichkeit in Disharmonie stehen?

Seit Jahrzehnten behaupten die Institutionen der Gegenwartskunst, es gäbe einen „Schutzraum Kunst“. Auch ausgehend von meinen Erfahrungen befinden wir uns noch immer in einem institutionellen Diskurs, der auf dem Stand der 1990er Jahre argumentiert. Es gibt keine Schutzräume mehr, sondern es geht um das Austragen weitreichender Ideen.

KuratorInnen dürfen nicht dem Irrtum anheimfallen, dass Publikationen und Ausstellungen – die gewissermaßen unsere gedanklichen Stoßrichtungen widerspiegeln –  jene Sachverhalte wären, die eine abstrakte Öffentlichkeit als relevant erachten müsste. Müssen wir also die Gesellschaft an sich besser beobachten, und uns deren Geschichtserzählung zu eigen machen und daraus lernen?

Die sowohl soziale, politische als auch ästhetische Fragestellung des Kurses soll sein: Wie gründen wir ein Modell, das die essentielle Errungenschaft „Freiheit der Kunst“ auch in Zukunft sichert? Es sollen Interventionsstrategien, Ausstellungsstrategien und Formen von Kommunikation entwickelt werden, die nicht darauf hereinfallen, dass bessere Argumente Veränderungen herbeiführen werden, sondern dass eine veränderte Praxis entstehen muss. Denn gegenwärtig besitzen wir nicht die Institutionen (und vielleicht auch nicht das Handwerk), die die Probleme der Gegenwart repräsentieren könnten.

Neben den oben bereits dargelegten behandelt der Kurs außerdem folgende Fragestellungen:
- Darf man politisch strittige Kunst ausstellen?
- Gibt es eine Ikonographie der Erinnerung?
- Wie kann eine Arbeitsumstrukturierung in den denkenden/künstlerischen Berufen aussehen?
- Welche Funktion wird das Kuratieren in den nächsten Jahren einnehmen?
- Produziert der zeitgenössische Kunstbetrieb permanent neue Formen des Vergessens?
Nicolaus Schafhausen ist ein in Deutschland geborener Kurator, Kunstmanager, Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen über zeitgenössische Kunst. Seit 2011 ist er strategischer Direktor von Fogo Island Arts, einer Initiative der kanadischen Shorefast Foundation. Aufgabe dieser wohltätigen Organisation ist die Suche nach alternativen Lösungen für die Revitalisierung emigrationsgefährdeter Gegenden.

Schafhausen ist künstlerischer Leiter von Tell me about yesterday tomorrow (November 2019 bis August 2020), einer Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum München (DE), die sich mit der Zukunft der Vergangenheit beschäftigt. Er hat zahlreiche internationale Ausstellungen wie Media City Seoul 2010 und den niederländischen Pavillon bei der Weltausstellung Expo 2010 in Shanghai kuratiert. Er war Kurator des Deutschen Pavillons auf der 52. und 53. Biennale di Venezia (IT) (2007 und 2009) und des Pavillons der Republik Kosovo auf der 56. Biennale di Venezia (2015). Schafhausen war außerdem Co-Kurator der 6. Moskau Biennale (2015).

Neben seiner Arbeit als Kurator von Ausstellungen, nationalen Pavillons und anderen Projekten hat Schafhausen namhafte Institutionen wie den Frankfurter Kunstverein (DE), das Künstlerhaus Stuttgart (DE) und das Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam (NL) geleitet. Er war Gründungsdirektor der Europäischen Kunsthalle, Köln (DE). Dieses Projekt untersucht die Bedingungen und Strukturen von Institutionen für zeitgenössische Kunst, die unabhängig vom Auftrag lokaler Regierungen agieren. 2019 trat er als Direktor der Kunsthalle Wien zurück, eine Position, die er seit 2012 innehatte. Er tat dies aus politischen Gründen unter Hinweis darauf, dass die Zukunft solcher Kultureinrichtungen durch eine zunehmende nationalistische Politik in Österreich und anderswo in Frage gestellt wird. Er forderte eine stärkere Unterstützung durch unabhängige staatliche Institutionen und Kultureinrichtungen in Zeiten rechtspopulistischer Bewegungen. In der Zukunft möchte Schafhausen über die Grenzen konventioneller Institutionen hinaus arbeiten.

Ausstellungen
2019 Tell me about yesterday tomorrow, NS-Dokumentationszentrum München, München. 2018 Antarktika. Eine Ausstellung über Entfremdung, Kunsthalle Wien, Wien. 2017 Thomas Bayrle. Wenn etwas zu lang ist – mach es länger, Museum für Angewandte Kunst, Wien. How To Live Together, Kunsthalle Wien, Wien. 2015 Politischer Populismus, Kunsthalle Wien, Wien. How To Gather? Acting in a Center in a City in the Heart of the Island of Eurasia?, (co-kuratiert mit Bart De Baere und Defne Ayas) 6. Moskau Biennale, Moskau. 2014 Disappearing Things, (co-kuratiert mit Vanessa Joan Müller) 55. Oktobersalon Belgrad, Belgrad.

Publikationen
Brigitte Oetker, Nicolaus Schafhausen (Hg.): Was wissen wir? Was haben wir? Was fehlt uns? Was lieben wir?, Jahresring 65, Sternberg Press, Berlin 2018.
Alexandra McIntosh, Nicolaus Schafhausen (Hg.): Edgar Leciejewski: Tones, Fogo Island Arts/Sternberg Press, Berlin 2018.
Defne Ayas, Bart De Baere, Marie Egger, Nicolaus Schafhausen (Hg.): How To Gather. Acting Relations, Mapping Positions, Witte de With Center for Contemporary Art, Rotterdam 2017.
Luca Lo Pinto, Nicolaus Schafhausen (Hg.): Pierre Bismuth. Things I Remember I Have Done, But Don’t Remember Why I Did Them, Sternberg Press, Berlin 2016.
Nicolaus Schafhausen: Isa Genzken, Oil: German Pavilion, Biennale di Venezia 2007, DuMont-Literatur-und-Kunst-Verlag, Köln 2007.
Nicolaus Schafhausen
Porträtfoto: Steffen Jagenburg