Generic selectors
Exact matches only
Search in title
Search in content
Search in posts
Search in pages

Basteln statt Perfektion

  • 20. August 2020

Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg 2020 

10. bis 22. August 2020

(Steinbruch 26. Juli bis 22. August 2020)

Tag der offenen Ateliers Freitag 21. August 2020 14 bis 19 Uhr

Steinbruch Fürstenbrunn  und Festung Hohensalzburg, nur nach vorheriger Anmeldung

Presseaussendung

Basteln statt Perfektion

20. August 2020

Internationale Sommerakademie 2020, eine Bilanz der hybriden Akademie. 

Die verkürzte, hybride Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg stand 2020 unter der Devise Basteln statt Perfektion. War es dem Team der Sommerakademie gleich beim Ausbruch der Pandemie klar, dass diese auch im Jahr 2020 stattfinden musste, so zeigte sich die Komplexität dieser Managementaufgabe erst im Laufe der Akademie . Vieles geschah zum allerersten Mal (hybride und online Kurse und Veranstaltungen) und wurde daher erst im Laufe der Vorbereitungen entwickelt. Der Anspruch alles perfekt zu machen, musste über Bord geworfen, weil vieles nur „gebastelt“ werden konnte. Diese Haltung stieß jedoch bei allen Beteiligten auf großes Verständnis, weil die Freude darüber, dass die Akademie überhaupt stattfand, enorm war. Den komplexen Aufgaben der hybriden Akademie war jedoch  nur ein großartiges Team, zu dem alle Mitarbeitenden und Lehrenden zählten, gewachsen. Zumal auch die Gefahr der Pandemie immer über diesem Vorhaben schwebte. Dieser begegnete man mit einem eigenen Hygienekonzept und großer Disziplin und Verantwortung aller Beteiligten, auch der Studierenden.

Insgesamt fanden nunmehr elf Kurse (von ursprünglich geplanten 19) und 18 verschiedene Veranstaltungen statt. Diese wurden sowohl nur vor Ort, nur online und auch in einer Mischform von beiden organisiert. In Bezug auf die Teilnehmendenzahlen war die Akademie 2020 äußerst erfolgreich, so nahmen insgesamt 171 Personen (76 vor Ort, 95 online) aus 42 Nationen an den Kursen teil, 85 Studierende erhielten 2020 ein Stipendium (32 vor Ort, 53 online). Durchschnittlich hatte also jeder Kurs 15,5 Teilnehmende (2019 15,1) An den Veranstaltungen beteiligten sich über 500 Personen, gut 180 davon online. Die Bilanz 2020 fällt also extrem positiv aus. Es gab wesentlich mehr Teilnehmende an den Kursen und den Veranstaltungen als gedacht, viele Kurse, vor allem vor Ort waren schnell ausgebucht. Sowohl die online Kurse als auch die hybriden Kurse funktionierten ausgezeichnet, so berichteten sowohl die Lehrenden als auch einige Studierende (eine ausführliche Evaluation folgt im Herbst), wenn diese auch wesentlich arbeitsintensiver waren als Kurse vor Ort. Besonders glücklich waren wir darüber, dass auch Randa Mirza und Lara Tabet, die beiden Lehrenden in Beirut, Libanon, trotz Zerstörung ihrer Wohnung durch die Explosion am 4. August, den Kurs abhalten konnten. Nicht nur das, sie berichteten auch in einem Kunstgespräch über ihre Teilnahme an der libanesischen Revolution, die im Herbst vergangenen Jahres begann, die Wirtschaftskrise im Libanon und nicht zuletzt über die Explosion und ihre Folgen. (https://www.youtube.com/watch?v=M8CfrGXYD8k)

Die Sommerakademie gab trotz Pandemie ein klares Signal, es gibt sie auch in diesen Zeiten und sie erkundet weiterhin Neue Horizonte, wie das Motto 2020 lautete.

Hildegund Amanshauser steht für Interviews und Führungen durch die Klassen (bis 21. August 2020) zur Verfügung.

Daten und Fakten

Dauer
10. bis 22. August 2020
Steinbruch 26. Juli – 22. August 2020
 
Details zu den Kursen

Nur auf der Festung Hohensalzburg, analog: Noële Ody/Toni Schmale, Tobias Pils
Auf der Festung und online, hybrid: Nadira Husain, Nicolaus Schafhausen,
Louisa Elderton/Klaus Speidel
Nur online: Bani Abidi/Priya Sen, Eli Cortiñas, Marina Fokidis, Randa Mirza/Lara Tabet, Ahmet Ögüt
Steinbruch: Cäcilia Brown/Anna Hofbauer/Mikkel Holm Torp


Folgende Kurse fanden leider nicht statt: Caroline Achaintre, Sammy Baloji/Lotte Arndt, Brenda Draney, Per Dybvig, Thea Gvetadze, Cameron Jamie, Vaclav Pozarek, Massinissa Selmani

Rückblick Hildegund Amanshauser, Direktorin seit 2009

Professionalisierung, Konzentration und Globalisierung

Die Internationale Sommerakademie ist ein Teil des bildungsindustriellen Sektors, der sich in den letzten elf Jahren extrem geändert hat; Ökonomisierung, Globalisierung und eine enorme Konkurrenz prägen zunehmend das Feld. Der Markt weltweiter Sommerschulen explodierte, fast jede Kunstakademie auf dem Planeten mischt mittlerweile dabei mit. Die Besonderheit der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg in diesem hoch kompetitiven Feld zu prägen, vermitteln und weltweit zu verkaufen, war die große Herausforderung. Hildegund Amanshauser führte das von Oskar Kokoschka geprägte Grundkonzept weiter, nämlich das gemeinsame Studium von professionellen Kunstschaffenden, Kunststudierenden und Menschen, die sich lange mit künstlerischer Produktion beschäftigten, aber nicht ihren Lebensunterhalt damit verdienten (vulgo Laien ). Ebenso den Anspruch Menschen aus der ganzen Welt und jeden Alters und Bildungshintergrunds anzusprechen. Den Herausforderungen des Feldes begegnete sie mit den Mitteln der Professionalisierung, Konzentration und Globalisierung.

Professionalisierung


Hildegund Amanshauser setzte auf permanente Veränderung, Evaluation und Netzwerke. Teil ihres Konzepts war es, Lehrende nur jeweils zwei Jahre, meist in Folge, einzuladen und ausschließlich Lehrende zu verpflichten, die keine Professur in Europa hatten. Die Auswahl der Lehrenden erfolgte nach umfassenden globalen Recherchen und war den Prinzipien höchster Qualität, Vielfalt, Internationalität und Enthusiasmus für die Lehrtätigkeit verpflichtet. Nicht selten hat die Sommerakademie jüngeren Kunstschaffenden die Gelegenheit gegeben, das erste Mal zu unterrichten. Von 2010 bis 2020 wurden insgesamt 212 Kurse mit 155 verschiedenen Kursleitenden abgehalten.

Seit 2010 führte Hildegund Amanshauser eine professionelle Evaluation ein, die genaue Daten lieferte, die auch dem Team und den Lehrenden zurückgespielt wurden. Viele der Verbesserungsvorschläge der Lehrenden und Studierenden wurden in der Folge in die Konzeption der Sommerakademie aufgenommen. Die Evaluation des gesamten Programms wurde zu einem Werkzeug für die permanente Veränderung der Institution. 

Basis der Recherche und der Programmierung war ein ständig wachsendes Netzwerk, in das alle (ehemaligen) Lehrenden und Vortragenden etc. eingebunden wurden. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war die Gewinnung neuer StipendiengeberInnen (seit 2010 die ERSTE Stiftung, Kooperationen mit den Kunsthochschulen in Münster, Leipzig und London, Kingston School of Art. Für 2020 war bereits u.a. eine Kooperation mit SAHA, Istanbul vereinbart, die sich coronabedingt auf kommendes Jahr verschoben hat. Insgesamt konnten in den letzten Jahren im Durchschnitt fast 100 Stipendien vergeben werden, maßgeblich unter der Federführung des Vereins der Freunde (unter der Vorsitzenden Gunda Cancola). Der Verein rief auch im vergangenen Jahr das Bisi Silva Stipendium ins Leben gerufen, das Kunstschaffenden aus Afrika gewidmet ist, eine extrem wichtige Initiative.

Konzentration

Im Laufe der Jahre wurden aufgrund der Nachfrage der Studierenden und der Lehrenden die Kurse immer kürzer, sodass sie nun im Durchschnitt etwas länger als zwei Wochen dauern. Daher musste in der Folge auch der Kursort Hallein geschlossen werden und es rückte der Kursort Festung Hohensalzburg wieder ins Zentrum des Geschehens. Kurse in Architektur, Schmuckgestaltung, Design wurden aufgrund mangelnder Nachfrage eingestellt, Ursache dafür war, dass diese nicht das Kerngeschäft und die zentrale Expertise der Sommerakademie betrafen. Stattdessen wurden Kurse in kuratorischer Theorie und Praxis und Schreiben über Kunst sehr erfolgreich implantiert. Diese Veränderung war Teil einer Strategie, die das gesamte Programm insgesamt stärker diskursivierte.

Seit 2010 wurde auch für jeden Kurs eine Höchstzahl der Teilnehmenden eingeführt, weil nur so die hohe Qualität des Unterrichts auch zu gewährleisten ist (in der Regel zwischen 12 (Steinbruch) und 20). Erklärtes Ziel war eine durchschnittliche Studierendenzahl von ca. 15 Teilnehmenden, die in den letzten Jahren auch erreicht wurde.

Globalisierung/Planetarisierung

Globale/Planetare Akademie war das zentrale Projekt in der Zeit der Direktion von Hildegund Amanshauser. Initialzündung dazu bildete die 2011 von Sabine B. Vogel angestoßene und von ihr gemeinsam mit Hildegund Amanshauser kuratierte Tagung Globalkunst/Global Art, die sich mit der Geschichte und Definition der Globalkunst und der Globalkunstgeschichte befasste. In der Folge wurden zahlreiche Vortragende als Lehrende verpflichtet, die Basis für ein weltweites Sommerakademie-Netzwek war gelegt. Die Tagung Globale Akademie? folgte 2016 und widmete sich alternativen Akademien vor allem im Globalen Süden. Die Konferenz Globale Akademie II, Beispiele transkulturellen Austausches 2018, kuratiert von Hildegund Amanshauser und Kimberly Bradley, präsentierte in der Folge zahlreiche Modelle kulturellen Austausches. Darüber hinaus wurden neue Begrifflichkeiten und Denkweisen jenseits von kolonialistisch/postkolonialistisch, Nord/Süd etc. im Sinne neuer Kunstgeschichten diskutiert.

Das von Hildegund Amanshauser und Kimberly Bradley 2020 herausgegebene Buch Navigating the Planetary im Verlag für moderne Kunst Wien führte die Tagung 2018 fort und bildet den Abschluss des Projekts Planetare Akademie von Hildegund Amanshasuer. Navigating the Planetary ist ein Handbuch zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der globalen Kunstwelt.

 

Das Projekt Planetare/Globale Akademie wurde nicht nur durch die zwei/drei Tagungen, das Buch und zahlreiche Vorträge in den Jahren dazwischen sichtbar, es durchdrang vielmehr die gesamte Programmatik der Sommerakademie in den letzten Jahren. Es schlug sich auch in der Einladungspolitik der Lehrenden und dem verstärkten Augenmerk auf neuen Stipendienformen (erster Schritt Bisi Silva Stipendium siehe oben) nieder. Eine prozentuell stärkere Anzahl nicht-europäischer Studierender war eine der logischen Folgen.

Ziel des Projekts war es, die Internationale Sommerakademie zu einer Planetaren (Globalen) Akademie zu machen oder zumindest Annäherungen daran zu erproben; Diskurse zu verfolgen, Räume für Begegnungen zu schaffen, in denen Verhandlungen, Auseinandersetzungen, Debatten über Kunst, Diskurs und darüber hinaus möglich sind, die eurozentrische Perspektiven weit hinter sich lassen und neue weltweite Kommunikation, Begegnungen und Zusammenarbeiten auf Augenhöhe ermöglichen. Das Projekt strahlt weit über Salzburg hinaus, wenn sich hier neue Netzwerke, Freundschaften und Arbeitsgemeinschaften bilden, die anderswo auf der Welt weiter wirken.

Auf das künstlerische Programm Neue Horizonte von Hildegund Amanshauser folgt 2021 das Programm der neuen Direktorin Sophie Goltz. Es entwickelt sich entlang der Fragen:

How to practice togetherness (Zusammensein)? 

How to practice non-cooperation (Nicht-Kooperation)?

How to practice anti-coloniality (Anti-Kolonialität)?

Zentral sind dabei künstlerische Praktiken, die sich einer experimentellen Pädagogik verschreiben, digitaler Technologien oder neuartiger, synthetisch generierter Materialien bedienen. Zugleich verlangen sich verändernde Genre in der bildenden und performativen Kunst andere edukative Formate, entsprechend sollen multi-disziplinäre und hybride (analog/digital) Klassen sowie deren Austausch untereinander ausgebaut werden. Klassische kuratorische Kurse werden zugunsten einer kollaborativen Praxis verschiedener Akteur*innen, insbesondere zwischen Kunst und Zivilgesellschaft, erweitert.

Gemeinsam mit den Studierenden und Lehrenden wie lokalen Kolleg*innen und zivilen Aktivist*innen wird die Akademie öffentlich in die Stadtgesellschaft hineinwirken: Die Pandemie hat einen urbanen Alltag entlang der Linien des Versprechens oder des Überlebens enthüllt, welcher nicht ignoriert werden kann. Wie bauen wir unsere städtischen Identitäten aus dieser Situation heraus auf? Welche Psycho-Geographien sind in das soziale Gefüge der Stadt eingeschrieben? Im Sommerprogramm werde künstlerische Mittel und kulturelle Möglichkeiten in ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung für dieses Moment erforscht.